„Komm setz dich zu mir.“, sagte Janin und tippte auf den Platz neben sich.
Howan sah sie mit bösen Augen an.
Sekunden verstrichen, bis die Liebe sich durchgekämpft hatte und Howans Gesicht sich zu entspannen begann.
Sogar ein kleines verschmitztes Lächeln huschte ihm durchs Gesicht.
Er tat, worum sie ihn gebeten hatte, und setzte sich neben sie.
Doch so einfach wollte er ihr es nicht machen und verschränkte die Arme, so als wäre er noch immer böse auf sie. Er war wirklich neugierig, wie sie sich da wieder rauswinden wollte.
Ein bisschen auskosten wollte er die Situation schon.
Sie waren nun schon seit 19 Jahren Verheiratet.
Er kannte sie so gut, fast konnte man meinen, er könne ihre Gedanken lesen.
Währenddessen überlegte Janin angestrengt darüber nach, wie sie sich entschuldigen sollte.
Dann platzte es aus ihr heraus: „ Es tut mir leid, es tut mir so furchtbar leid“, sagte sie und hielt sich die Hände vor das Gesicht. Ich verstehe nicht, wie mir das passieren konnte.
Mir, ausgerechnet mir! Diejenige, die alle Termine im Kopf hat und nichts vergisst.
Aber anscheinend war es mir in letzter Zeit dann doch zu viel.
Die vielen Umstrukturierungen in der Firma, unser Umzug ins neue Haus und dann noch die Geburt von den 5 Welpen.
Also nochmal: „ Es tut mir unendlich leid, dass ich unseren Hochzeitstag vergessen habe“!
Du hast dir so viel Mühe gegeben. Du hast gekocht, du hast mir diese wunderschöne Kette gekauft und der Blumenstrauß ist atemberaubend.
Sie sah ihn erwartungsvoll an und hoffte, dass er ihre Entschuldigung annahm.
Er drehte sich zu ihr, verengte wieder die Augen und sah sie an. Er sah, dass sie wirklich darunter litt.
Die Augenbrauen hochziehen, ein breites Lächeln aufsetzend, breitete Howan seine Arme aus und umschlang Janin. Er drückte sie fest an sich und lachte laut.
Janin löste sich aus der Umarmung und sah ihn verwirrt an. „Ach“, sagte er, ich war doch nicht wirklich böse deswegen.
Im Gegenteil, ich habe es ausgekostet dich winden zu sehen.
Auch du darfst mal etwas vergessen.
Janin lachte laut und erleichtert auf, kniff Howan in die Seite und umarmte ihn anschließend liebevoll.
Monat: Mai 2023
Bruno rülpste und stieß zum wiederholten Mal einen glühenden Röntgenstrahl aus den Enden seines Ereignishorizontes aus.
Bruno war beeindruckt von der Intensität seiner Strahlen, wenn auch diesmal keine exotischen Teilchen dabei waren.
Fünf Millionen Lichtjahre entfernt rollte Miriam ihre Plasmakorona und versuchte sich weiterhin auf ihre Einkaufsliste zu konzentrieren.
Ihre letzte Mahlzeit war ein G3 Stern gewesen und der Großteil davon war ihr durch eine überraschende Beschleunigung durch einen blauen Riesen durch die Lappen gegangen.
Aber Hauptsache Bruno konnte sich wieder seinen dicken Wanst mit dieser letzten Zwerggalaxie vollfressen.
Nicht dass er auf den Gedanken käme und mal den einen oder anderen Kugelhaufen zu ihr rüber beschleunigen würde.
Diese Fernbeziehung hatte schon bessere Zeiten erlebt.
Als sie beide das erste Mal diese zarte Anziehungskraft verspürt hatten und begannen, um ein gemeinsames Zentrum zu kreisen.
Als sich die Ränder ihrer Spiralarme das erste Mal zärtlich berührten und dieses Feuerwerk aus zusammengepresster Materie unzählige neue Sonnen aufleuchten ließ.
Als sie sich gegenseitig ganze Sonnensysteme zu katapultierten.
Als sie sich durch diese Materieküsse gegenseitig schmeckten.
Als er ihr noch exotische Teilchen zuschleuderte.
Miriam seufzte.
„Bis dass der Tod euch scheidet!“, dachte Miriam verbittert und spürte ein leichtes Ziehen in ihrer Singularität.
Wie Schmetterlinge streichelten zarte Gravitationswellen über ihren Ereignishorizont.
„Pablo!“, rief Miriam.
„Miriam!“, rief Bruno verzweifelt, als er spürte, wie ihr gemeinsames Gravitationszentrum langsam verschwand.
Originalhandschrift
Die Autobahn durchschnitt das kleine Dörfchen „Murmelschneck“.
Alle hassten den Namen und das ließ sich schon am Ortsschild klar erkennen.
Es war an allen möglichen Stellen angenagt und der Rest von Schleim überzogen.
Seit Jahren gab es immer wieder den Versuch den Teil „Schneck“ aus dem Wort streichen lassen.
Die Murmeltiere, die auf der einen Seite des Dorfes lebten, hassten die Schnecken aus tiefstem Herzen. Die Schnecken dagegen verstanden die ganze Aufregung überhaupt nicht.
Immer wieder wurden sie zur gemeinsamen Bezirkssitzung eingeladen. Immer wieder machten sie sich auf den Weg zum Bezirksamt um Schlussendlich festzustellen, dass niemand da war.
So krochen sie unverrichteter Dinge wieder nach Hause.
Gleichzeitig rannten die, wie immer durchgeplanten und durchgetakteten Murmeltiere wie wild umher und konnten nicht verstehen, warum die Schnecken niemals zu den vereinbarten Terminen anwesend waren.
Dabei lag die Lösung doch so klar auf der Hand.
Durch den vielen Stress kam bei den Murmeltieren niemand auf die Idee, den Schnecken mehr Zeit einzuräumen.
Und so wird sich das wohl auch nicht so schnell ändern.
Originalhandschrift
„Stau, warum immer Stau?“, schrie Kemal sein verwittertes Lenkrad an.
Seit 20 Minuten stand er schon in der Hansonkurve und starrte sinnlos in den Laabergtunnel hinein.
Sein Taxidienst hätte schon vor 10 Minuten beginnen sollen, doch an diesem Montagmorgen stand er natürlich im Stau.
Kemal steckte sich eine Zigarette in dem Mund und starrte auf das leere Camel-Packerl in seiner Hand.
Auch das noch.
Wütend schob er die Zigarette zurück in das Packerl.
Er riss die Fahrertür auf und versuchte den Grund für den Stau zu erkennen.
Er kniff seine Augen zum Schutz vor der tiefstehenden Morgensonne zusammen und so wie seine Halsschlagadern, traten auch die tiefen Furchen rund um seine Augen hervor.
Vor ihm nur weiteres, wütendes Hupen.
„Sind sicher wieder diese scheiß Klimakleber!“, dachte Kemal, zog sein Feuerzeug heraus, steckte sich die letzte Zigarette in den Mund hielt inne.
„Wer weiß, wie lange dieser Scheißstau noch dauert?“, dachte Kemal mit einem Blick auf die leere Zigarettenpackung, die er frustriert auf den Beifahrersitz seines alten Mercedes geworfen hatte.
Kemal warf das unbenützte Feuerzug zu der Packung am Beifahrersitz und zog heftig an der Zigarette in seinem Mund.
Ein leichter Geruch nach Tabak erfüllte seinen Mundraum und seine Nase, aber der Nikotinkick fehlte definitiv.
Kemal verlor sich in Gewaltfantasien, in Träumen von chromblitzenden Hummern mit blutverschmierten Alufelgen.
Kemal kniff seine Augen noch stärker zusammen und versuchte die Bewegung mehrere Autos vor ihm einzuordnen.
„Enten, sind das Enten?“, dachte Kemal und griff gedankenverloren zu seinem Feuerzeug und zündete sich seine letzte Zigarette an.
Originalhandschrift
Thema: Führe einen Blinden
Das Augenlicht erlischt.
Der Fokus verliert sich.
Der Atem entweicht ein letztes Mal mit einem Seufzen.
Das grelle Deckenlicht wird stumpf.
Ein silberner Schatten senkt sich herab wie ein blinder Spiegel.
Orientierung weicht einer Weite, die keine Konturen kennt.
Eine Nacht bricht herein, verhüllt und umhüllt die Wahrnehmung.
Ich breite meine weißen Schwingen aus und berühre sanft.
Ich gebe Orientierung in der Orientierungslosigkeit.
Ich gebe Sicherheit in der Unsicherheit.
Blicklose Augen versuchen die Finsternis zu durchdringen.
Nur die Berührung bleibt.
Nur die Berührung führt aus der Einsamkeit in der Finsternis zu den vertrauten Stimmen hin.
Zu den vertrauten Gerüchen und Klängen, die durch meine weißen Schwingen dringen.
Und die Schwingen behutsam auf den Weg führen, heraus aus der Wahrnehmung und hinein in das Sein.