Schon seit Tagen trieb das Yeti-Krabben-Ei durch die ewige Finsternis. Herausgeschleudert vom Rücken ihrer Mutter durch eine unerwartete Eruption in der sonst sicheren Nische auf einem Seiten-Schlot ihres Heimat-Black-Smokers.
 
Die gewohnte, wohlige Hitze verwandelte sich schnell in die indifferente Kühle der Tiefsee. Das Ei trieb vorbei an den unzähligen gefahren, die in der Finsternis lauerten. Nur wenige Zentimeter vorbei am zähnefletschenden Maul des Anglerfisches. Weitergewirbelt von vorbeiziehenden Planktonräubern, einer ungewissen Zukunft entgegen.
 
Nur noch ein kleiner Lebensfunke steckte in dem Ei, als es von einer heraufziehenden Strömung erfasst wurde. Aufgewirbelte Sedimente legten sich schützend um das Ei.
 
Wie ein Staubkorn, das zur Schneeflocke wird und dann zu Boden sinkt, wurde das umhüllte Ei wieder langsam in die Tiefe gezogen.
Doch plötzlich blieb es an etwas hängen und unterbrach seine Reise ins Nichts.
 
Warmes, schwefelhaltiges Wasser belebte die verbliebenen Lebensgeister des Eies. Es kullerte weiter und streifte dabei den Sedimentballast ab und landete in einer kleinen Höhle. Die Wärme entfachte die gestoppte Zellteilung auf ein Neues.
Das Ei begann zu träumen von heißen Anemonenwiesen und kräftigen, zotteligen Scheren, die unentwegt schmackhafte Nahrung in ihren Mund stopfen werden.


Originalhandschrift
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