Unterwachtmeister Fridolin starrte verwirrt auf den neuen Häftling. Er blinzelte und hoffte auf eine Sehstörung seiner Facettenaugen.
Die Kadetten Peter und Lisa versuchten verzweifelt den Häftling mit ihren Fangarmen festzuhalten.
Peter rief: „Jetzt halt doch endlich still!“, während Lisa „Handschellen, wir brauchen mehr Handschellen!“, stammelte.
Unterwachtmeister Fridolin klärte die Situation, indem er die Beine des sich windenden Häftlings mit einem klebrigen Faden fixierte.
„Bäää, Misshandlung, das ist ja eklig!“, rief der Häftling.
„Ich kann deinen Mund auch noch zukleben.“, antwortete Oberwachtmeister Fridolin.
Der Häftling sagte nur noch „Anwalt!“ und schüttelte sich vor Ekel.
Unterwachtmeister Fridolin fixierte die Kadetten mit seinen unzähligen Augen. Die Stabschrecken senkten schuldbewusst ihre Köpfe.
„Tut uns leid, Herr Unterwachtmeister, das war unsere erste Tausendfüßler Verhaftung.“, sagte Kadett Peter.
„Er war zusammengerollt zu groß für das Seil und über die vier paar Handschellen hat er nur gelacht.“, grummelte Lisa.
Unterwachtmeister Fridolin schüttelte enttäuscht den Kopf und sagte:
„Ihr zwei habt eine Woche Schreibtischdienst und die Haselnussblätter sind fürs erste auch gestrichen!“.
„Nicht die Haselnussblätter!“, heulte Kadett Peter, während er hinter Lisa her aus dem Aufnahmeraum der Stadtwache stakste.
„Und jetzt zu uns Jonny.“, sagte Unterwachtmeister Fridolin.
„Konntest deine Arme, ähh, Beine nicht von den Bildern lassen?“
„Michse?“, sagte Jonny unschuldig.
„Ja, dichse. Blöd für dich, dass du dabei gesehen wurdest, wie du die kostbaren Rubens Nacktschneckenbilder aus dem Museum gestohlen hast! Und bevor du etwas sagst. Wir haben Beweise.
Deine Fußabdrücke waren überall!“.
Monat: November 2023
Die gestohlenen Bilder,
sowie das viele Silber,
verließen geheim das Land
und wanderten von Hand zu Hand.
Vom Ritter über‘n reichen Witwer,
vom Kunstvermittler bis zum Strafermittler.
So kamen sie von Land zu Land
Und fanden ihren Weg an diese Museums-Wand.
Originalhandschrift
Wer ist dieser alte Mann im Spiegel?
Und was hält er da in der Hand?
Ich schrecke mich. Ich?
Der alte Mann runzelt die Stirne.
Falten bilden sich um seine Augen.
Lachfalten? Er lächelt.
Und ich?
Ich beobachte den alten Mann im Spiegel wie er den Gegenstand vor seinem Gesicht beobachtet.
Ein Zauberstab?
Er wedelt damit vor dem Spiegel und hinter dem Spiegel herum.
„Abrakadabra!“, ruft – Er?
Wir lachen beide.
Wer ist dieser nette, attraktive, alte Mann?
Ist das mein Vater?
Er blinzelt und ich stehe vor einer Türe.
Er hat mich weggeblinzelt!
Wo ist mein Hut?
Ohne meine Melone komme ich nicht nach Hause zurück!
Mein Körper zittert, erfüllt von Unruhe.
Warme Hände legen sich auf meine Schultern.
Ich blinzle und sitze in einem Garten.
Ich blicke mich um und sehe sie und alles ist gut.
Ich? Unwichtig.
Originalhandschrift
„Los, los, trödelt nicht rum, es ist gleich soweit“, schrie Anna-Lena so laut wie sie nur konnte.
Alle sprangen blitzschnell auf und gruppierten sich zusammen.
Jeder klammerte sich so fest er nur konnte an jemand anderen.
Die Konturen verschwammen zu einem wilden wabbelnden Haufen.
Jeder sah jeden an und wünschte dem anderen viel Glück.
Alle wussten, dass es ihre letzte Möglichkeit war, etwas zu erreichen.
Auch, dass es nicht alle schaffen würden, war jedem einzelnen klar.
An diesem Punkt angekommen, gab es einfach kein Zurück mehr.
Phillip sah Anna-Lena tief in die Augen. Unmerklich nickte er ihr zu. Mit einem ebenso minimalem zustimmenden Nicken, bestätigte Anna-Lena den Plan, den sie sich zuvor zurecht gelegt hatten.
„Jeden Augenblick geht’s los“, schmetterte Anna-Lena wieder in den Raum.
„Strengt euch an und gebt alles. Einer von uns muss es schaffen, ihr wisst, was davon abhängt“, schwor sie die Gruppe nochmals ein und krallte sich mit aller ihr zur Verfügung stehenden Kraft an Phillip und den anderen fest.
Kaum den Satz zu Ende gesprochen, ging auch schon ein Ruck durch den Haufen und sie wurden alle ins Nichts geschleudert.
Luftleerer schwarzer Raum umgab den wilden Haufen.
Es begann eine wilde Fahrt. Gleich zu beginn, wurden einige von der Gruppe getrennt und weggerissen.
Die, die sich noch zusammenhalten konnten, sahen traurig hinterher und hofften, dass es ihnen nicht auch so erging.
Phillip und Anna-Lena krallten sich noch mehr aneinander. Sie wollten das wirklich durchziehen und gemeinsam schaffen. Nichts war wichtiger als dies. Sie hatten nur diese eine Chance.
Es ging steil nach oben, kerzengerade wurden sie in Richtung des Ausganges, der immer näher kam, geschleudert.
Gleichzeitig verloren sie immer mehr ihrer Mannschaft. An den steilen Wänden um sie herum, blieben immer mehr ihrer Truppe hängen und starben dabei.
Es war furchtbar mitanzusehen, wie sie immer weniger wurden, je näher die Befreiung bevor stand.
Dann waren sie nur noch zu 6.
Kurz bevor sie den Ausgang erreichten, wurde neben ihnen noch Leon, Arthur, Sophia und Emilia mit einem Ruck von der Gruppe getrennt.
Soweit hatten sie es geschafft. Kaum zu glauben.
Nun ging es also nur noch um sie beide.
Und dann war es plötzlich so weit.
Beide sahen den Ausgang.
Sie wurden mit voller Wucht gegen eine Wand geschmettert.
Es löste sich ihr Griff und sie wurden getrennt.
Anna-Lena sah eine kleine Öffnung und steuerte direkt darauf zu.
Sie konnte es nicht glauben. Sie als einzige der Gruppe hatte es wirklich geschafft!
Nun ist Anna-Lena 5 Jahre alt und ist der ganze Stolz ihrer Eltern.
Wie man sieht, bietet ein Kondom auch nicht 100%igen Schutz!
Eine Windböe stieß Julia auf Laura und drückte beide an die steile Felswand. Laura stöhnte auf und sackte zusammen. Julia konnte gerade noch mit letzter Kraft verhindern, dass sie beide von dem schmalen Weg in die Tiefe taumelten.
Schwer atmend presste sie ihren Kopf an Lauras Brust. Der Lichtstrahl ihrer Kopflampe verschwand in Lauras Anorakjacke und tauchte die Felslandschaft wieder in pechschwarze Finsternis.
„Ich kann nicht mehr, ich kann nicht mehr!“, hörte sie Laura schluchzen.
Wie konnte dieser wunderbare Kletterausflug so schnell eskalieren? Vor einer halben Stunde hatte Laura noch gelacht, die Haare zerzaust vom aufkommenden Wind und jetzt kämpften sie beide ums Überleben. Hagelkörner prasselten auf ihren Kopf und Rücken.
„Wir müssen weiter!“, presste Julia hervor, „Es kann nicht mehr weit sein!“.
500 Meter hatte ihr der Mann von der Bergwacht am Telefon gesagt. Den Weg entlang bis zu der riesigen Tanne.
„Wie soll ich in diesem scheiß Wetter eine Tanne sehen?“, dachte Julia und ließ verzweifelt den Lichtstrahl ihrer Kopflampe hin- und herpendeln. Laura sackte zusammen, aber Julia schob sie wieder Felswand entlang nach oben.
„Du gibst mir jetzt nicht auf!“, schrie sie Laura durch das Kreischen der nächsten Windböe hindurch an. Sie schob Lauras linken Arm wieder über ihre Schulter.
„Hinter der nächsten Biegung muss es sein!“, rief sie und zog eine stöhnende Laura mit ihr mit, den Weg entlang. Julia aktivierte ihre letzten Reserven und taumelte mit Laura um die Biegung in die undurchdringliche Schwärze des Unwetters. Julias Kopflampe ließ nur schemenhafte Umrisse auftauchen und sofort wieder verschwinden.
Der Wind trieb sie unbarmherzig weiter voran, bis sie beide plötzlich mit voller Wucht gegen ein Hindernis prallten. Julia sah Sterne und schmeckte Blut, das bei jedem verzweifelten Atemzug in ihrem Mund landete. Geistesgegenwärtig hielt sie sich an dem Hindernis fest und rief:
„Laura, halt dich fest!“.
Mit vereinten Kräften schafften sie es, sich gegen den Wind zu stemmen und stehen zu bleiben. Laura versuchte ihren Blick auf das Hindernis zu fokussieren.
„Ist das ein fucking Baum?“, presste sie heraus.
„Ist mir scheiß egal, Hauptsache er will mich nicht umbringen!“, krächzte Laura.
Julia richtete den Strahl ihrer Lampe am Baum vorbei in die Finsternis. Irgendetwas reflektierte plötzlich den Lichtstrahl. Ein Fenster materialisierte sich in der Dunkelheit.
„Das muss die Hütte sein!“, rief Julia und zerrte eine auf einem Beim hüpfende Laura mit sich.
Eine Windböe warf beide gegen die knorrige Tür der Schutzhütte, die unter ihrem gemeinsamen Gewicht nachgab und sie unsanft auf dem Boden der Hütte landen ließ. Laura schrie auf, aber sie umklammerten sich gegenseitig schluchzend, lebendig und in Sicherheit zu sein.