O du meine Unlust
wie traurig süß ist deine Gegenwart
umhüllt in mottenzerfressener Seide
kühlst du mein eisiges Herz
Begnadet gnadenlos nimmst du meine Hand
und reißt sie los vom Joch
der Kreativität
der Freude
der Trauer
und den Zwillingen
Hoffnung und Hoffnungslosigkeit
O wie wunderschön zart
sind deine Hände aus Glas
aus Scherben aus Glas
die meinen Körper liebkosen
ihn öffnen
für den scharlachroten Übergang
des Schmerzes
des Lachens
Zurück in das ewige Gezerre
zwischen Anfang und Ende
der Zwilling
Hoffnung und Hoffnungslosigkeit
Autor: Günter Schaden Seite 3 von 11
Wege schlingen sich
übereinander
untereinander
wie Schlaufen im Gehirn
Gehirnschlaufen
ohne sichtbaren Anfang
ohne sichtbares Ende
entstanden aus Schlaufen
unsichtbarer DNA
die im Tanz des Lebens
neue Potenziale schaffen
Myriaden potenzielle Wege
für das Ich
das in strahlendheller Finsternis
herumtaumelt in Kreise und Schlaufen
auf der endlosen Suche
nach dem hellerleuchteten unsichtbaren Weg
Originalhandschrift
Thema: Trauerrede über einen verlorenen/kaputtgegangenen Gegenstand
Ach, mir kommt es vor, als wäre es erst gestern gewesen, als ich dich und deinen Zwillingsbruder unter dem Weihnachtsbaum fand.
So fröhlich wart ihr damals beide, bunt geringelt und wunderbar weich.
Nicht so kratzig, wie die anderen aus dem Vorjahr.
Ihr habt euch sofort zu mir hingezogen gefühlt und ich konnte nicht widerstehen euch sofort anzuziehen.
Ganz warm wurde mir nicht nur ums Herz, ihr habt immer nur gegeben und wolltet nichts dafür.
Mit Füßen habe ich euch getreten, doch ihr habt es mir nie übel genommen.
Auch wenn mir manchmal übel geworden ist, wenn ich euch wie Müll in den Wäschekorb geworfen hatte.
Dann warst du plötzlich nur noch alleine. Dein Zwillingsbruder entführt und gefressen von der sockenmörderischen Maschine.
Doch er hatte sich bis zum letzten Moment gewehrt und ihren gierigen Hals gestopft!
Wechselnde Beziehungen musstest du ertragen, alle Farben und Muster waren dabei.
Doch du hast es stoisch ertragen, auch wenn ich immer wieder fremd gegangen war.
Alt bist du geworden und schlapp.
Aber du lässt mich auch jetzt nicht im Stich, ich trage ich dich über meinem Gesicht.
Gemeinsam rauben wir diese scheiß Bank aus und fliehen reich nach Panama!
Das Wurmloch öffnete sich mit einem gleißenden Gammaröntgenblitz und speite ein Objekt heraus, das regungslos im All verharrte.
Der Energieblitz verpuffte in Nanosekunden und die aufgeregten Elektronen der vereinzelten Wasserstoffatome beruhigten sich schnell wieder. Der absolute Kälte-Nullpunkt des ewigen Vakuums duldete keine Aufregung.
Widerstrebend wandte das Vakuum seine Aufmerksamkeit auf den Fremdkörper. Dem Vakuum wurde leicht übel, als das Objekt begann, die mühsam, feingesponnen Gravitationsfäden zu verbiegen. Es rutschte die Fäden entlang und erzeugt dabei einen fast unerträglichen Klang, der das Vakuum zum Schaudern brachte.
Doch zum Glück bewegte sich das Objekt nicht lange. Es kam nahe bei einem Planeten zu stehen, der beim Vakuum eine unangenehme Erinnerung auslöste. Der Planet, seine Geschwister und der gelbe Stern waren entstanden, als der aufgeblähte, blaue Riese des Sternenhaufens seine Überreste in die herrlich kühlen Molekülwolken der Umgebung geschleudert hatte. Seitdem waren die letzten Milliarden Jahre in wunderbarer Ruhe vergangen.
Winzige Molekülhaufen begannen sich vom Objekt zu lösen und erregten die Neugierde des Vakuums. Die aber gleich wieder verpuffte.
„Na dann viel Spaß mit eurer schönen, neuen Welt!“, dachte das Vakuum, wickelte sich in ihre flauschige Heliumdecke und hoffte auf ein paar Äonen ungestörten Schlafes.
Original Handschrift
Die Nacht ist kalt
das Mondlicht spiegelt sich
auf deiner alabasterfarbenen Haut
Einsam und zu zweit
gleiten wir
du und ich!
über den spiegelglatten See
Niemand wird uns finden
nicht dich und nicht mich
denn du bist bei mir!
Gemeinsam sinken wir
herab in die Schwärze der Seele
umhüllt vom silbernen Festgewand
gemeinsam, einsam
unserer Hochzeitsnacht entgegen
Original Handschrift
Eine Münze fällt
in das Innere des Molochs
hilflos ausgeliefert der Mechanik
des indifferenten Flippers
ohne Spaß, ganz Ernst
dem Behälter des Mammons hingegeben
gewogen und gemessen
für nicht würdig gefunden
angewidert ausgespuckt
in die Moneten-Toilette
für nicht würdig gefunden
klimpert sie traurig und dumpf
Doch keine Ruh ist ihr vergönnt
im Sarg der Verstoßenen
sie wird herausgerissen im Zorn
und zurückgeschleudert durch die Pforte
hinein in den fünften Kreis der Hölle
prallt sie funkenstobend
auf Sisyphus metallene Räder
angestachelt von Zeus Blitz und Donner
akzeptiert sie ihr Schicksal nicht
lehnt sich auf gegen die vorgegebene Bahn
sieht ein Licht in der Dunkelheit
einen schmalen Spalt in der Realität
sie rebelliert
verlässt den staubigen, abgenützten Pfad
fällt hinein in die ungewisse Zukunft
hoffnungsvoll und frei
alea iacta est
Thema: Traumjob
„Ich werde Feuerwehrmann!“, rufe ich schmollend in die verkohlten Überreste des Wartehäuschens hinein. Mein Vater neben mir schüttelt traurig den Kopf.
„Sag jetzt nichts!“, schreie ich ihn wütend an.
„Ich, ich …!“, rufe ich, während er schützend seine Schwingen über die vor ihm kauernden Menschen ausbreitete.
„Ich, ich wollte doch nur dem kleinen Chihuahua streicheln und dann hat der mich in den Finger gebissen und dann, und dann ist es einfach passiert!“.
Hinter den Schwingen meines Vaters höre ich ein empörtes Kläffen. Ein kleiner, etwas angekokelter Hund schießt heraus und beißt mir in den Fuß.
„Ich werde Feuerwehrmann!“, rufe ich frustriert, während die rotglühenden Reste des Wartehäuschens klappernd vor mir zusammenbrechen.
Original Handschrift
Thema: Lauschangriff
Eine leichte Brise lässt die Blätter in den Bäumen aneinander reiben. Ein unregelmäßiges Rauschen läuft wie eine Welle durch den Wald. Die Blätter der Rotbuchenriesen klingen heller als die festen Blätter der knorrigen Eichen. Einige Äste stoßen klappernd aneinander, andere Äste erzeugen ein Quietschen, wie ein ungelenkes Spiel auf einer Violine.
Vor mir gluckert sanft ein Bach über das Herbstlaub des vorigen Jahres. In den Büschen raschelt es und ein schwarzes Amselmännchen schießt heraus.
Es ruft „Tsitsipe!“ und sieht mich vorwurfsvoll an. Die Amsel hüpft weiter und schiebt raschelnd mit dem Schnabel Blätter zur Seite, auf der suche nach für mich lautlosen Regenwürmern.
Behäbig durchquert ein Feuersalamander den seichten Bach und stört für kurze Zeit das monotone Glucksen des Baches. Der Wind wird stärker und klingt jetzt wie ein heranrauschender Zug. In der Ferne ertönt ein dumpfes Grollen. Die Amsel sucht unbeeindruckt weiter.
Aber für mich ist es Zeit nach Hause zu gehen. Ich stoße mich vom Geländer der knarrenden, kleinen Holzbrücke ab und gehe durch das raschelnde Laub zu dem Weg, der mich hoffentlich vor dem Gewitter ins schützende Zuhause führt.
Original Handschrift
Thema: Seifenoper
Das Wort, das wir suchen besteht aus zwei Teilen.
Der erste Teil ist ein Gegenstand, den man zum Reinigen des Körpers, zum Beispiel der Hände verwendet. Diesen Begriff brauchen wir in Mehrzahl.
Der zweite Teil ist ein sehr festliches Theater, in das man sehr gut angezogen geht. In diesem schreien sich Schauspieler zu klassischer und auch moderner Musik in opulenter Gestik an.
Original Handschrift
Thema: Streitgespräch
Das Pärchen saß an einem Tisch direkt am Fenster des sich langsam drehenden Donauturmrestaurants.
„Schönes Wetter heute.“, sagte er.
Es folgte betretenes Schweigen.
„Ich…“, sagte er. „Du…“, sagte er.
Es folgte betretenes Schweigen.
Harald nahm einen Schluck aus seinem Glas mit Sekt-Orange, um das Schweigen zu überbrücken. John nahm all seinen Mut zusammen und fragte:
„Komm, sag endlich, was gibt es heute zu feiern?“.
Nervös nahm Harald noch einen Schluck.
„John, du weißt ja, ich wollte mit meiner Mutter über dich sprechen…“.
„Harald, du machst mich fertig! Spuck’s endlich aus!“, sagt John frustriert.
„Ähm, ja, nun wegen meiner Mutter. Sie wird gleich da sein.“.
„Was? Bist du verrückt, warum konntest du mir das nicht vorher sagen?“, hisste John mit unterdrückter Stimme, „Nach allem, was sie über dich und deine Freunde gesagt hat?“.
„Jetzt krieg dich wieder ein!“, antwortete Harald wütend, „Und mach mir hier nicht schon wieder eine Szene!“