von Michaela und Günter

Autor: Günter Schaden Seite 6 von 10

Vernunft

Des Menschen Vernunft ist wie eine Feder
leicht, aber hohl
schnell ausgerupft im Streit
trägt ein Lufthauch sie fort

nur ein Lichtblitz im Äon der Zeit
erstrahlt das weiße Weiß
so wunderschön und zart
doch sprießt sie langsam

so unendlich langsam
so wertvoll wie ein Diamant
aber so unvergleichlich vergänglich
aber so farbenfroh wie der Regenbogen

hebt sie uns empor in den Himmel
zum Licht, das uns zu Menschen macht
und wir erkennen hell und klar
wie leicht der Flug mit dieser Feder war












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Vernunft WASSERZEICHEN Günter

Die Kekse

Thema: Vernunft

„Herr, lass Hirn vom Himmel regnen!“, schallte der Mamas verzweifelte Ruf durch die Küche.
„Aber nicht ohne Ei!“, rief ich noch schnell über meine Schulter, bereits am strategischen Rückzug vom Tatort.
Das Geklapper meiner Schlapfen auf meiner Flucht die Treppenstufen hinab konnte nicht ganz Mamas „Pfui, Aus!“-Rufe übertönen. Das war einfach nur eine Verkettung unglücklicher Umstände gewesen.
Ich wollte nur ganz unauffällig ein paar Weihnachtskekse fladern und konnte wirklich gar nix dafür, dass die Dose mit den unnötigen Streuselkeksen bei meinem Griff in die Schokokekse ins Wanken geriet und dummerweise direkt vor dem sabbernden Maul dieser gierigen Spanieldame landete.
Ich vergönn ihr ja die grauslichen Kekse, aber ich werde dieses Weihnachten Kekse wahrscheinlich nur mehr im glücklich mampfenden Mund meiner Schwester zu Gesicht bekommen.













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Lebensträume Günter Wasserzeichen

Lebensträume

Knorrige Wurzeln
Verzweigte Stämme
Verwirrte Träume
Verwischen den Wald
 
Grüne Tropfen
Versprengt auf der Leinwand des Lebens
Vermischen sich mit dem Braun
Des herabrieselnden Laubes
 
Goldene Schwerter des Lichts
Zerschlagen abgestorbene Träume
und schaffen Zeit und Raum
für Lebensträume
 
Träume, die wie Lava
Aus den geborstenen Spalten emporspritzen
Alles Abgestorbene verschlingend
In sich aufnehmend
 
Um sich zu erheben – bebend
Vor Freude zitternd
Als Phönix, als mystischer Traum
Der keine Grenzen kennt
 
Der Vergangenheit ist
Und Zukunft
Der Tosen ist
Und Stille
 
Ein Lebenstraum





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2021 11 12 - Ablauf nach Walt Disney Schreibworkshop Seiwald WASSERZEICHEN Günter

Josie

Thema: Ablauf nach Walt Disney

Es war einmal eine Stachelschwein-Dame namens Josie.

Jeden Tag musste sie sich auf den Weg zur Arbeit durch die dichten Büsche des „Guten Morgen“- Waldes zwängen.

Dabei verlor sie auf schmerzhafte Weise immer wieder ein paar Stacheln, weil sie im dichten Buschwerk hängen blieb.

Eines Tages, als sie wieder einmal in den Büschen hängen blieb, hörte sie hinter sich eine Stimme, die sagte: „langsam, langsam, warte ich helfe dir“.

Und so kam es, dass die verkeilten Stacheln vorsichtig, eine nach der anderen, aus den Büschen befreit wurden.

Und so kam es, dass Josie einen neuen Freund fand und mit ihm gemeinsam einen verborgenen Weg fand, der sie zu aufregenden Abenteuern führte.

Bis sie endlich gemeinsam eine Näherei gründeten.


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Der Tag danach- WASSERZEICHEN Günter

Vishnu

Thema: Der Tag danach

„Das kam überraschend!“, dachte Vishnu der Gott der Welterhaltung, als er aus der Toilettenhalle des 5.Himmels trat. Von rechts, aus der Richtung der dritten Höllenpforte, ertönte ein hämisches Kichern.

„Belzebuul, du hinterhältiges Monster, was hast du wieder angestellt?“, schrie Vishnu und blickte frustriert auf die rotglühende Lava-Oberfläche der Erde hinab. Kein zartes Blau der Ozeane, kein sattes Grün der Wälder, kein besänftigendes Ocker der Wüsten war mehr zu sehen.
 
„Da macht man alle 100 Millionen Jahre eine Pinkelpause und schon fallen einem die undankbaren Miesepeter in den Rücken!“, dachte Vishnu und trauerte – einen Augenblick lang – für 1000 Jahre, um die Vielfalt seiner Schöpfung.
 
„Dem kleinen Widerling wird das Lachen schnell vergehen.“, dachte Vishnu und rief: “Man reiche mir den Himmelsfernschreiber!“
Zwei pummelige Elfen mühten sich ab, den Plutogroßen Moloch über die wattigen Wolken zu zerren.
 
„Geht das nicht schneller?“, nörgelte Vishnu.
Die Elfe mit dem blonden Bart fing an zu lachen und flüsterte Ihrem Begleiter etwas zu.
„Was ist da so lustig?“, polterte Vishnu.
Beide Elfen stolperten lachend über die letzten zwei Wolken, während der Himmelsfernschreiber hinter ihnen im zick zack hin und her sprang und die oben befestigte Fernschreiberglocke wild unregelmäßig bimmelte.
 
„Die werden das Ding noch ruinieren!“ dachte Vishnu und schaute missbilligend den Elfen entgegen.
Die Elfe mit dem blonden Bart deutete schon wieder auf etwas in Vishnus Rücken.
„Undankbare Bastarde!“, dachte Vishnu, „Denen werde ich zwei Äonen Fitnesscenter verpassen, jetzt, wo der Lockdown vorbei ist!“, und blickte über die Schulter, um zu ergründen, was die Elfen so lustig fanden.
Hinter ihm kräuselte sich das rosa Krepptoilettenpapier von der Toilettenhallentür bis in den Bund seiner güldenen Trainingshose.
 
„Ei der Tauz!“, rief Vishnu, während neuerlich ein schadenfrohes Kichern durch die dritte Höllenpforte zu ihm heraufdrang.











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Ich erinnere mich Schreibworkshop Seiwald WASSERZEICHEN Günter

Erinnerung

Thema: Ich erinnere mich

Ich erinnere mich. Erinnere ich mich?
Gedanken – Kreise. Oder sind es Spiralen?
Der Wald ist mein Bruder, er schützt mich!
Schütze ich meinen Bruder?

Spiralen aus Verwirrung winden sich durch die Erinnerung
Sind sie der Anfang oder das Ende?
Ziehe ich an einem Ende der Gedanken-Spirale
Entstehen dann wieder neue Spiralen-Gedanken?

Ich sehe ein Kind im spiegelnden See
Bin das ich oder nur mein Zwilling?
Ein Sprung hinein in das Wasser des Lebens
gibt es einen Moment, in dem ich verschmelze?

So viele Stimmen in meinem Ohr
ist eine davon die meine?
Alles so laut und erdrückend
warum ist alles so still in mir?

Ein Gesicht verändert sich zu einem anderen
Wem gehört dieses Gesicht?
Die Suche nach dem ich
begleitet mich mein Zwilling?

Die Spiralen-Gedanken spiralen weiter
berühren Sie sich dabei?
Werden sie zu einem großen Kreis?
Einem Kreis des Lebens?

Ja, er umschließt mich und meine Zwillinge.








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Hilde-Nimm einen Teil des Plots Schreibworkshop Seiwald WASSERZEICHEN Günter

Hilde

Thema: Nimm einen Teil des Plots

Ein Schlagloch riss Hilde aus ihrem verworrenen Traum. Die Scheinwerfer des Autos bohrten sich ins Dunkel der Nacht und reflektierten am nassen Asphalt der Bundesstraße.

Hilde blickte nach links auf das vertraute und doch so fremde Gesicht ihres 83-jährigen Vaters. Das schwache Licht der Armaturenbeleuchtung hinterließ tiefe Schatten in Josefs zerfurchtem Gesicht und ließ die gekrümmte Nase noch schärfer hervortreten.

Hilde konnte immer noch nicht fassen, dass ihr Leben noch vor einer Woche aus der eintönigen Arbeit in der Ölmühle bestanden hatte. Mit ihrem Vater hatte sie schon jahrelang kein Wort gewechselt und sein Dasein in der Wohnung über der Mühle ignoriert. Dieser eine Anruf von der Bank am verstaubten Festnetztelefon in der ungenutzten Werkstatt hatte alles geändert.

Ein weiteres Schlagloch riss Hilde aus ihren Gedanken.
Josef drehte sich zu ihr und sagte: „Bist du wach?“.
Hilde unterdrückte ihren ersten Impuls für eine schnippische Antwort und sagte einfach: „Ja, leider.“.
„Die Serben haben noch nie etwas ordentlich instand halten können.“, sagte Josef.

Hilde wusste nur wenig über die Vergangenheit des Mannes, der selbst 53 Jahre lang geglaubt hatte, ihr Vater zu sein.









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Der Feind Schreibworkshop Seiwald WASSERZEICHEN Günter

Der Spiegel

Thema: Der Feind

Hinter dem Spiegel
lebt der Feind
Lebt alles, was ich nicht sehen will

vor dem Spiegel
lebe ich
lebt alles, was ich sehen kann

so groß und doch geschrumpft
mit Löchern wie fehlende Puzzleteile
heraus gestanzt aus dem Marmor des Ichs

Leere aus bodenloser Schwärze
geworfen durch scheinbar durchsichtiges Glas
aber gepresst durch die Abstände

zwischen den Molekülen der Silberfarbe
Wieder neu zusammengesetzt zu Löchern aus Schwarz
Schwarzlöchern mächtig und zart

die mich anstarren vorwurfsvoll
traurig und fordernd
sich nach Einheit sehnen

verbunden sein wollen mit den Puzzlesteinen des Lichts
Kann ich sie wieder zurück saugen?
Habe ich die Kraft sie durch die meterdicke
Hauchdünne Barriere zurückzuziehen?

Kann ich es ertragen eins zu sein,
bin ich jetzt doch so viele?
Ich wage den Blick hinein,

dahinter und hindurch
Und spüre wie das erste Puzzleteil
zart wie eine Schneeflocke
sich zurück fügt an seinen Platz.






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Telefonieren Schreibworkshop Seiwald WASSERZEICHEN Günter

Hubert

Thema: Telefonieren

Hubert will telefonieren.
Er weiß nur nicht, warum, und wen er eigentlich anrufen will. Sein Kopf fühlt sich seltsam an und auch der Rest des Körpers schickt nur verschwommene Signale.
„Was soll der Scheiß?“, denkt Hubert und versucht, seinen getrübten Blick auf die Umgebung zu fokussieren. Etwas bewegt sich in sein Gesichtsfeld hinein und wieder hinaus.
„Ist das ein Baum?“, denkt Hubert, während ihm sein Magen plötzlich ein flaues Gefühl vermittelt. Der Baumstamm wandert diesmal etwas klarer in sein Sichtfeld hinein.
„Warum sind die Äste oben?“, denkt Hubert.
Der Baumstamm wandert wieder auf seinem Sichtfeld hinaus, nur ein knorriger Ast bleibt in seinem rechten Blickwinkel zurück.
Die Übelkeit verstärkt sich und es wird ihm schlagartig klar, dass das wohl daran liegen musste, dass er mit dem Kopf nach unten hin und her pendelt. Panik steigt in Hubert auf und seine Augen zucken weg vom wieder auftauchenden Baumstamm und richten sich nach oben, seinen Körper entlang.
Sein Blick trifft auf die braunen Knopfaugen eines Eichkätzchens, das neugierig vom fast durchgeknabberten Seil aufsah, an dem Herbert von einem armdicken Ast hängt.
Hubert reißt entsetzt die Augen auf.
Doch in diesem Moment reißt das Seil und Hubert stürzt mit einem stummen Schrei in die Tiefe.
Der James-Bond Klingelton fährt kreischend durch Huberts Gehirn.
Sein Herz pocht rasend und er erkennt, dass er zu Hause in seinem Bett liegt. Verkatert nach seinem Junggesellenabschied und verzweifelt, weil er doch Birgit versprochen hatte, sie anzurufen, sobald er Zuhause ist.















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Alltagsgegenstand-ASSERZEICHEN-Guenter

Rosi

Thema: Gegenstand

Rosi schlüpfte vorsichtig durch den Zaun des Schrottplatzes.
Sie blickte links und rechts, um sich zu vergewissern, dass keiner der Rottweiler-Mischlinge in der Nähe war. Die Sonne brannte unbarmherzig auf das bereits aufgeheizte Metall der abgewrackten Autos herab.

Rosi musste darauf achten, dass ihre Hände in den zu langen Ärmeln ihrer zerrissenen Männerjacke verborgen blieben, wenn sie sich zwischen den Wracks hindurch zwängte. Der Schweiß lief hier in Strömen das Gesicht hinab und tropfte zischend auf das glühende Metall. Leider war die Mittagszeit die einzige sichere Gelegenheit sich auf den Schrottplatz zu schleichen, denn dann verkrochen sich sowohl der Wachmann als auch die Hunde in den Schatten der im hinteren Bereich aufgespannten Plane.
Rosi versuchte möglichst geräuschlos durch die Reihen der Wracks zu schlüpfen.

Ihr Herz raste aus Aufregung und durch die brütende Hitze.
„Nur noch zwei Reihen weiter!“, dachte Rosie und versuchte ihren Blick zu fokussieren. Eingepackt in die schützende Jacke zwängte sie sich an dem Panzer mit dem klaffenden Loch an der Seite vorbei. Endlich sah sie ihr Ziel vor Augen.

Die zwei goldenen Rolls-Royce, aufgebockt auf Ziegelsteinen.
Der Gestank von Gummi und vermodernder Sitzbezüge nahm ihr in der Hitze fast den Atem. Aber ihr Auftraggeber hatte ihr keine Wahl gelassen.
Entweder sie brachte ihm heute noch die Kühlerfigur eines Rolls-Royce oder ihre Familie verlor den Schutz, den sie so dringend brauchten, seitdem ihr Vater im Krieg gefallen war. Rosi sah noch einmal verzweifelt nach links und rechts und lief über die freie Fläche zu den Autos.

„Einmal nach links drücken und dann hinunter drücken.“, waren ihre Anweisungen gewesen.
Sie drehte die Figur nach links.
Sie hörte ein heiseres Bellen in der Ferne.
Ihr Mund war völlig ausgedörrt.

Mit letzter Kraft zog sie die Figur mit ihren kleinen Händen nach links und drückte sie nach unten. Womit sie nicht gerechnet hatte, war, dass die Figur aus der Kühlerhaube hinaus sprang und mit einem metallenen Scheppern auf der Kühlerhaube des Rolls landete. Mit dem Ergebnis, dass drei Reihen weiter die Hölle ausbrach.

Vor Schreck erstarrt, wusste Rose nicht was sie tun sollte. Doch die Angst gab ihr einen Ruck und sie schnappte sich die brennend heiße Figur.
„Au!“, schrie sie, hielt die Figur aber fest und lief so schnell sie ihre Beine trugen zurück zum Loch im Zaun.










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