von Michaela und Günter

Autor: Günter Schaden Seite 7 von 11

Der Feind Schreibworkshop Seiwald WASSERZEICHEN Günter

Der Spiegel

Thema: Der Feind

Hinter dem Spiegel
lebt der Feind
Lebt alles, was ich nicht sehen will

vor dem Spiegel
lebe ich
lebt alles, was ich sehen kann

so groß und doch geschrumpft
mit Löchern wie fehlende Puzzleteile
heraus gestanzt aus dem Marmor des Ichs

Leere aus bodenloser Schwärze
geworfen durch scheinbar durchsichtiges Glas
aber gepresst durch die Abstände

zwischen den Molekülen der Silberfarbe
Wieder neu zusammengesetzt zu Löchern aus Schwarz
Schwarzlöchern mächtig und zart

die mich anstarren vorwurfsvoll
traurig und fordernd
sich nach Einheit sehnen

verbunden sein wollen mit den Puzzlesteinen des Lichts
Kann ich sie wieder zurück saugen?
Habe ich die Kraft sie durch die meterdicke
Hauchdünne Barriere zurückzuziehen?

Kann ich es ertragen eins zu sein,
bin ich jetzt doch so viele?
Ich wage den Blick hinein,

dahinter und hindurch
Und spüre wie das erste Puzzleteil
zart wie eine Schneeflocke
sich zurück fügt an seinen Platz.






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Telefonieren Schreibworkshop Seiwald WASSERZEICHEN Günter

Hubert

Thema: Telefonieren

Hubert will telefonieren.
Er weiß nur nicht, warum, und wen er eigentlich anrufen will. Sein Kopf fühlt sich seltsam an und auch der Rest des Körpers schickt nur verschwommene Signale.
„Was soll der Scheiß?“, denkt Hubert und versucht, seinen getrübten Blick auf die Umgebung zu fokussieren. Etwas bewegt sich in sein Gesichtsfeld hinein und wieder hinaus.
„Ist das ein Baum?“, denkt Hubert, während ihm sein Magen plötzlich ein flaues Gefühl vermittelt. Der Baumstamm wandert diesmal etwas klarer in sein Sichtfeld hinein.
„Warum sind die Äste oben?“, denkt Hubert.
Der Baumstamm wandert wieder auf seinem Sichtfeld hinaus, nur ein knorriger Ast bleibt in seinem rechten Blickwinkel zurück.
Die Übelkeit verstärkt sich und es wird ihm schlagartig klar, dass das wohl daran liegen musste, dass er mit dem Kopf nach unten hin und her pendelt. Panik steigt in Hubert auf und seine Augen zucken weg vom wieder auftauchenden Baumstamm und richten sich nach oben, seinen Körper entlang.
Sein Blick trifft auf die braunen Knopfaugen eines Eichkätzchens, das neugierig vom fast durchgeknabberten Seil aufsah, an dem Herbert von einem armdicken Ast hängt.
Hubert reißt entsetzt die Augen auf.
Doch in diesem Moment reißt das Seil und Hubert stürzt mit einem stummen Schrei in die Tiefe.
Der James-Bond Klingelton fährt kreischend durch Huberts Gehirn.
Sein Herz pocht rasend und er erkennt, dass er zu Hause in seinem Bett liegt. Verkatert nach seinem Junggesellenabschied und verzweifelt, weil er doch Birgit versprochen hatte, sie anzurufen, sobald er Zuhause ist.















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Alltagsgegenstand-ASSERZEICHEN-Guenter

Rosi

Thema: Gegenstand

Rosi schlüpfte vorsichtig durch den Zaun des Schrottplatzes.
Sie blickte links und rechts, um sich zu vergewissern, dass keiner der Rottweiler-Mischlinge in der Nähe war. Die Sonne brannte unbarmherzig auf das bereits aufgeheizte Metall der abgewrackten Autos herab.

Rosi musste darauf achten, dass ihre Hände in den zu langen Ärmeln ihrer zerrissenen Männerjacke verborgen blieben, wenn sie sich zwischen den Wracks hindurch zwängte. Der Schweiß lief hier in Strömen das Gesicht hinab und tropfte zischend auf das glühende Metall. Leider war die Mittagszeit die einzige sichere Gelegenheit sich auf den Schrottplatz zu schleichen, denn dann verkrochen sich sowohl der Wachmann als auch die Hunde in den Schatten der im hinteren Bereich aufgespannten Plane.
Rosi versuchte möglichst geräuschlos durch die Reihen der Wracks zu schlüpfen.

Ihr Herz raste aus Aufregung und durch die brütende Hitze.
„Nur noch zwei Reihen weiter!“, dachte Rosie und versuchte ihren Blick zu fokussieren. Eingepackt in die schützende Jacke zwängte sie sich an dem Panzer mit dem klaffenden Loch an der Seite vorbei. Endlich sah sie ihr Ziel vor Augen.

Die zwei goldenen Rolls-Royce, aufgebockt auf Ziegelsteinen.
Der Gestank von Gummi und vermodernder Sitzbezüge nahm ihr in der Hitze fast den Atem. Aber ihr Auftraggeber hatte ihr keine Wahl gelassen.
Entweder sie brachte ihm heute noch die Kühlerfigur eines Rolls-Royce oder ihre Familie verlor den Schutz, den sie so dringend brauchten, seitdem ihr Vater im Krieg gefallen war. Rosi sah noch einmal verzweifelt nach links und rechts und lief über die freie Fläche zu den Autos.

„Einmal nach links drücken und dann hinunter drücken.“, waren ihre Anweisungen gewesen.
Sie drehte die Figur nach links.
Sie hörte ein heiseres Bellen in der Ferne.
Ihr Mund war völlig ausgedörrt.

Mit letzter Kraft zog sie die Figur mit ihren kleinen Händen nach links und drückte sie nach unten. Womit sie nicht gerechnet hatte, war, dass die Figur aus der Kühlerhaube hinaus sprang und mit einem metallenen Scheppern auf der Kühlerhaube des Rolls landete. Mit dem Ergebnis, dass drei Reihen weiter die Hölle ausbrach.

Vor Schreck erstarrt, wusste Rose nicht was sie tun sollte. Doch die Angst gab ihr einen Ruck und sie schnappte sich die brennend heiße Figur.
„Au!“, schrie sie, hielt die Figur aber fest und lief so schnell sie ihre Beine trugen zurück zum Loch im Zaun.










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Lass einen Gegenstand sprechen - Günter - Wasserzeichen

Das Tier-Seniorenheim

„Haddu Mörchen?“

„Ach, hör doch auf mit deinen Häschenwitzen!“, grummelte Elisa.
„Jede Woche das gleiche!“, dachte sie frustriert.
Mathilda, die Schildkröte, war schon über 120 Jahre alt, aber leider in ihrer Demenz in den 70er Jahren hängen geblieben.

„Haddu soooo großes Brot?“
 
„Das ist meine persönliche Hölle!“, dachte Elisa und stellte sich vor, wieder jung zu sein und einfach davonhoppeln zu können. Sie versuchte Mathilda auszublenden und ließ ihren Blick über die versammelte Seniorenrunde schweifen. Direkt neben ihr saß daumendrehend Kurt, das Eichhorn.
Natürlich blöd grinsend, weil die Häschenwitze genau seine Art von Humor waren. Neben ihm saß die Methusalem-Schildkröte Mathilda, deren Kopf beim Witzeerzählen wie ein Metronom hin- und her wippte.
 
„Will uns nicht Elisa auch einen Witz erzählen?“
 
„Na ganz sicher nicht!“, dachte Elisa und starrte mit verschränkten Pfoten böse die Gruppenleiterin Mia an.
Mia war eine graue Feldmaus, die sich redlich bemühte, die Senioren aus ihrem ritualisierten Alltag zu holen.
Aber manchmal ziemlich nervte.
 
„Na komm, Elisa, schlimmer als die Häschenwitze kanns ja nicht werden.“, krächzte kichernd die ergraute Rabendame Ronja.
„Nächste Woche ist wenigstens Mensch-ärgere-dich-nicht-Abend, das endet immer in einem lustigen Chaos.“, dachte Elisa und ergab sich seufzend ihrem Schicksal.

„Ein Hamster, eine Spottdrossel und eine Igel Dame sitzen in einem Zugabteil…“







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2021 05 23 -Die Elfe- Günter WASSERZEICHEN

Die Elfe

Aufgeregtes Surren hallte über den spiegelglatten Teich und wurde von den moosbehangenen Baumriesen am Ufer wie Nektar aufgesogen.

Noch spiegelten sich Sterne an der tiefschwarzen Oberfläche des Wassers aber über den Baumkronen war der Himmel schon mit dem zarten rosa des Dämmerlichtes gefärbt.
Die Regungslosigkeit der Baumkronen wurde plötzlich von einem Windstoß unterbrochen.
Die sternklare Nacht wurde durchzogen von dunklen, dahinrasenden Wolken.
Die Oberfläche des Teiches verwandelte sich in ein Meer aus Rillen.

Blitze zuckten herab und schwere Regentropfen rissen kreisrunde Krater in das Rillenmeer.
Das Unwetter raste vorbei und mit dem letzten Blitz, der das Wasser des Lebens zum Kochen brachte, schoss die Sonne über die Baumwipfel und hämmerte einen gleißenden Regenbogen in den Teich, aus dem die neugeborene Elfe anmutig hervorschoss und empfangen wurde von einem gemeinschaftlichen Aufschrei der Liebe der ringsum versammelten Elfen.

Der Regenbogen spiegelte sich in den brillanten Farben der Elfenkörper und breitete sich über die ergänzte Elfenfamilie aus wie ein schützender Mantel der Freude.

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2021 04 18 -Mauseloch- Günter WASSERZEICHEN

Hunger

Thema: Mauseloch

Furcht – Gier
Hunger vor und Hunger nach
Gegensätze prallen aufeinander
für den einen die Pforte zur Hölle

für den anderen das Tor zum Himmel
Hunger drängt danach die Schwelle zu überschreiten
doch die Furcht vor dem Ungewissen
hemmt den Vorwärtsdrang des kleinen Wesens

denn auch das Grollen tief im Innersten
des Giganten, der vor dem Eingang Wache hält
entsteht aus Hunger und der Furcht vor
der vergeblichen Jagd

Die Furcht vor neuerlichem Hunger
verbindet die Wesen
lässt sie verschmelzen zu einer Gemeinschaft des Hungers

der den einen zum Warten zwingt
und den anderen zur Handlung
bis der eine Teil des anderen wird
und der gemeinsame Hunger erlischt







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Wolkenfetzen Günter Wasserzeichen

Wolkenfetzen

Stahlgrauer Stahl
pflügt wie ein U-Boot
durch die weiß schäumende Gischt des Himmels
 
was zuvor glatt und konturenlos war
wird plötzlich zerfetzt und reißt auf
ein Sonnenstrahl hämmert herab
 
wie eine stählerne Faust
zerschmettert die Nebelfetzen
die den dampfenden Wald verhüllen
 
und lässt die rot gefärbten Blätter
der steinalten Buche
 
brennen
flackern
gleißen
 
bis die Wucht des zornigen Windes
die Tore des Himmels zuschmettert
und der glühende Stahl des Nachtbildes
 
wieder dem dumpfen Grau weicht
und einer endlos scheinenden Reihe
von Wolkenfetzen





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2020 07 19 Korallenriff Michaela WASSERZEICHEN

Der Schlot

Thema: Korallenriff

„Blubb!“

Mit einem dumpfen Dröhnen löste sich eine große Luftblase vom gezackten Rand des Unterwasserschlotes. Sie folgte langsam ihrem Vorgänger durch den schwach phosphoreszierenden und stetig wogenden Wald der bleichen Tiefseeanemonen.
Lila leuchtende Herzen der durchsichtigen Krabbenfische pulsierten im Schutz des Korallenriffes.

„Blibb, Blibb!“

Zwei kleine Blasen schossen hektisch aus dem Schlot, als ob sie die großen Blasen einholen müssten.

„Peng!“

Ein Schuss aus der überdimensionierten Schere eines transparenten Pistolenkrebses beendete das Leben eines unvorsichtigen Krabbenfisches und vertrieb die kleinen Luftblasen in die tintengleiche Schwärze der endlosen Unterwasserfinsternis.










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John

Thema: Hammer

„Fuck“, schrie Mike und schleuderte den Hammer quer durch das Wohnzimmer.

„Fuck“, schrie Gertrude, als der Hammer zitternd in ihrem vergötterten John Travolta-Bild in der Wand neben ihr stecken blieb.

„Du Volltrottel kannst nicht einmal einen Nagel in die Wand schlagen!“, schrie sie Mike wütend an und lief verzweifelt durch die Scherben zu ihrem vollgestellten Travolta-Altar.
Der Hammer hatte ihr Idol unrettbar geköpft und das von ihr euphorisch auf Ebay ersteigerte höchstpersönlich signierte Bild in Sekundenbruchteilen entweiht.

Gertrude’s Blickfeld engte sich ein und färbte sich rot. Sie packte den Hammer, riss ihn mit einem weltschmerzenden Schluchzen aus dem angebeteten Bild und rannte auf Mike zu, dessen Augen angsterfüllt aus seinem mondgesichtigen, verschwitzen Gesicht quollen.









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Das Katzenkitzelkonservatorium Günter Wasserzeichen

Das Katzenkitzelkonservatorium

Der katzenkitzelnde Köter Karli lag wie jeden Morgen auf der Lauer.
Er liebte es vollgefressen den süßen Duft der Jasminhecke in sich aufzusaugen. Die Sommersonne wärmte sein dunkelbraunes Zottelfell und er träumte von aufregenden Zeiten im Katzenkitzelkonservatorium.
Da ließ ihn ein Rascheln aufhorchen.

Waren das schon die flauschigen Fell-Fiepser auf dem Weg in die Katzenschule?
Karli sog die frische Morgenluft durch seine Schnauze.
Kein Katzengeruch.
Aber doch Kätzchen.

Verwirrt hob Karli seinen Kopf und versuchte etwas im dichten Grün der Hecke zu erkennen. Huschte da unten in der Hecke nicht ein dunkelbrauner Schweif vorbei? Immer höher schraubte sich das Rascheln empor.
Da explodierte das dichte Blätterwerk der Hecke.

„Ah, Eichkätzchen!“, dachte Karli und verfolgte die Flugbahn der emsigen Eichkatzendame Elisa, die elegant wie immer auf dem ausladenden Ast des mächtigen Walnussbaumes landete.

Karli ließ seinen Kopf wieder auf den Boden sinken.





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