von Michaela und Günter

Autor: Günter Schaden Seite 7 von 10

Lass einen Gegenstand sprechen - Günter - Wasserzeichen

Das Tier-Seniorenheim

„Haddu Mörchen?“

„Ach, hör doch auf mit deinen Häschenwitzen!“, grummelte Elisa.
„Jede Woche das gleiche!“, dachte sie frustriert.
Mathilda, die Schildkröte, war schon über 120 Jahre alt, aber leider in ihrer Demenz in den 70er Jahren hängen geblieben.

„Haddu soooo großes Brot?“
 
„Das ist meine persönliche Hölle!“, dachte Elisa und stellte sich vor, wieder jung zu sein und einfach davonhoppeln zu können. Sie versuchte Mathilda auszublenden und ließ ihren Blick über die versammelte Seniorenrunde schweifen. Direkt neben ihr saß daumendrehend Kurt, das Eichhorn.
Natürlich blöd grinsend, weil die Häschenwitze genau seine Art von Humor waren. Neben ihm saß die Methusalem-Schildkröte Mathilda, deren Kopf beim Witzeerzählen wie ein Metronom hin- und her wippte.
 
„Will uns nicht Elisa auch einen Witz erzählen?“
 
„Na ganz sicher nicht!“, dachte Elisa und starrte mit verschränkten Pfoten böse die Gruppenleiterin Mia an.
Mia war eine graue Feldmaus, die sich redlich bemühte, die Senioren aus ihrem ritualisierten Alltag zu holen.
Aber manchmal ziemlich nervte.
 
„Na komm, Elisa, schlimmer als die Häschenwitze kanns ja nicht werden.“, krächzte kichernd die ergraute Rabendame Ronja.
„Nächste Woche ist wenigstens Mensch-ärgere-dich-nicht-Abend, das endet immer in einem lustigen Chaos.“, dachte Elisa und ergab sich seufzend ihrem Schicksal.

„Ein Hamster, eine Spottdrossel und eine Igel Dame sitzen in einem Zugabteil…“







Originalhandschrift
0
2021 05 23 -Die Elfe- Günter WASSERZEICHEN

Die Elfe

Aufgeregtes Surren hallte über den spiegelglatten Teich und wurde von den moosbehangenen Baumriesen am Ufer wie Nektar aufgesogen.

Noch spiegelten sich Sterne an der tiefschwarzen Oberfläche des Wassers aber über den Baumkronen war der Himmel schon mit dem zarten rosa des Dämmerlichtes gefärbt.
Die Regungslosigkeit der Baumkronen wurde plötzlich von einem Windstoß unterbrochen.
Die sternklare Nacht wurde durchzogen von dunklen, dahinrasenden Wolken.
Die Oberfläche des Teiches verwandelte sich in ein Meer aus Rillen.

Blitze zuckten herab und schwere Regentropfen rissen kreisrunde Krater in das Rillenmeer.
Das Unwetter raste vorbei und mit dem letzten Blitz, der das Wasser des Lebens zum Kochen brachte, schoss die Sonne über die Baumwipfel und hämmerte einen gleißenden Regenbogen in den Teich, aus dem die neugeborene Elfe anmutig hervorschoss und empfangen wurde von einem gemeinschaftlichen Aufschrei der Liebe der ringsum versammelten Elfen.

Der Regenbogen spiegelte sich in den brillanten Farben der Elfenkörper und breitete sich über die ergänzte Elfenfamilie aus wie ein schützender Mantel der Freude.

Original Handschrift

0
2021 04 18 -Mauseloch- Günter WASSERZEICHEN

Hunger

Thema: Mauseloch

Furcht – Gier
Hunger vor und Hunger nach
Gegensätze prallen aufeinander
für den einen die Pforte zur Hölle

für den anderen das Tor zum Himmel
Hunger drängt danach die Schwelle zu überschreiten
doch die Furcht vor dem Ungewissen
hemmt den Vorwärtsdrang des kleinen Wesens

denn auch das Grollen tief im Innersten
des Giganten, der vor dem Eingang Wache hält
entsteht aus Hunger und der Furcht vor
der vergeblichen Jagd

Die Furcht vor neuerlichem Hunger
verbindet die Wesen
lässt sie verschmelzen zu einer Gemeinschaft des Hungers

der den einen zum Warten zwingt
und den anderen zur Handlung
bis der eine Teil des anderen wird
und der gemeinsame Hunger erlischt







Original Handschrift

0
Wolkenfetzen Günter Wasserzeichen

Wolkenfetzen

Stahlgrauer Stahl
pflügt wie ein U-Boot
durch die weiß schäumende Gischt des Himmels
 
was zuvor glatt und konturenlos war
wird plötzlich zerfetzt und reißt auf
ein Sonnenstrahl hämmert herab
 
wie eine stählerne Faust
zerschmettert die Nebelfetzen
die den dampfenden Wald verhüllen
 
und lässt die rot gefärbten Blätter
der steinalten Buche
 
brennen
flackern
gleißen
 
bis die Wucht des zornigen Windes
die Tore des Himmels zuschmettert
und der glühende Stahl des Nachtbildes
 
wieder dem dumpfen Grau weicht
und einer endlos scheinenden Reihe
von Wolkenfetzen





Originalhandschrift
0
2020 07 19 Korallenriff Michaela WASSERZEICHEN

Der Schlot

Thema: Korallenriff

„Blubb!“

Mit einem dumpfen Dröhnen löste sich eine große Luftblase vom gezackten Rand des Unterwasserschlotes. Sie folgte langsam ihrem Vorgänger durch den schwach phosphoreszierenden und stetig wogenden Wald der bleichen Tiefseeanemonen.
Lila leuchtende Herzen der durchsichtigen Krabbenfische pulsierten im Schutz des Korallenriffes.

„Blibb, Blibb!“

Zwei kleine Blasen schossen hektisch aus dem Schlot, als ob sie die großen Blasen einholen müssten.

„Peng!“

Ein Schuss aus der überdimensionierten Schere eines transparenten Pistolenkrebses beendete das Leben eines unvorsichtigen Krabbenfisches und vertrieb die kleinen Luftblasen in die tintengleiche Schwärze der endlosen Unterwasserfinsternis.










Original Handschrift

0

John

Thema: Hammer

„Fuck“, schrie Mike und schleuderte den Hammer quer durch das Wohnzimmer.

„Fuck“, schrie Gertrude, als der Hammer zitternd in ihrem vergötterten John Travolta-Bild in der Wand neben ihr stecken blieb.

„Du Volltrottel kannst nicht einmal einen Nagel in die Wand schlagen!“, schrie sie Mike wütend an und lief verzweifelt durch die Scherben zu ihrem vollgestellten Travolta-Altar.
Der Hammer hatte ihr Idol unrettbar geköpft und das von ihr euphorisch auf Ebay ersteigerte höchstpersönlich signierte Bild in Sekundenbruchteilen entweiht.

Gertrude’s Blickfeld engte sich ein und färbte sich rot. Sie packte den Hammer, riss ihn mit einem weltschmerzenden Schluchzen aus dem angebeteten Bild und rannte auf Mike zu, dessen Augen angsterfüllt aus seinem mondgesichtigen, verschwitzen Gesicht quollen.









Original Handschrift

0
Das Katzenkitzelkonservatorium Günter Wasserzeichen

Das Katzenkitzelkonservatorium

Der katzenkitzelnde Köter Karli lag wie jeden Morgen auf der Lauer.
Er liebte es vollgefressen den süßen Duft der Jasminhecke in sich aufzusaugen. Die Sommersonne wärmte sein dunkelbraunes Zottelfell und er träumte von aufregenden Zeiten im Katzenkitzelkonservatorium.
Da ließ ihn ein Rascheln aufhorchen.

Waren das schon die flauschigen Fell-Fiepser auf dem Weg in die Katzenschule?
Karli sog die frische Morgenluft durch seine Schnauze.
Kein Katzengeruch.
Aber doch Kätzchen.

Verwirrt hob Karli seinen Kopf und versuchte etwas im dichten Grün der Hecke zu erkennen. Huschte da unten in der Hecke nicht ein dunkelbrauner Schweif vorbei? Immer höher schraubte sich das Rascheln empor.
Da explodierte das dichte Blätterwerk der Hecke.

„Ah, Eichkätzchen!“, dachte Karli und verfolgte die Flugbahn der emsigen Eichkatzendame Elisa, die elegant wie immer auf dem ausladenden Ast des mächtigen Walnussbaumes landete.

Karli ließ seinen Kopf wieder auf den Boden sinken.





0
Baum des Lebens - Günter - Wasserzeichen

Baum des Lebens

Knorrig und zerklüftet
Berge aus Tafeln
Tafelberge
Würfel, Quader, Trapezoide
 
erschaffen Labyrinthe
aus Sackgassen
und Gabelungen
alte Wege enden
 
und erfordern Umkehr
Neuorientierung
In Orientierungslosigkeit
In Verzweiflung
 
gegen Widerstände
bringt Umkehr
unbekannte Perspektiven
bringt das Leben
 
wenn verholzte Borke
gesprengt wird von frischer Rinde
gefolgt von saftigem Duft
 
der den Frühling bringt
mit unaufhaltsamer Pracht





Originalhandschrift
0

Alice

Thema: Lächeln

„Wie gut, dass ich heute die Grinsekatze mitgenommen habe!“ , dachte Alice, als sie im Dämmerlicht die Kellertreppe hinunter stieg.

Die Stufen knarrten bei jedem Schritt und das schwache Licht, das sich von hinten aus dem Flur in den Keller ergoss, reichte nicht weit die Stiege hinunter. Alice begann, die auf ihrer Schulter sitzende Grinsekatze zu streicheln. Sie musste die unsichtbare Katze nicht sehen, um den schweren Kopf auf ihrer linken Schulter zu spüren.

Schlafwandlerisch sicher begann sie die flauschige Stelle zwischen den Ohren der Grinsekatze zu streicheln. Alice kniff vorsichtshalber die Augen zusammen und blieb im Halbdunkel stehen.
Ihr Oberkörper begann zu vibrieren und ein tiefes Schnurren hallte durch den finsteren Kellerraum.

Doch mit der Finsternis war es genauso wie mit der Stille plötzlich vorbei.
Die Streicheleinheiten genießend erhellte die Grinsekatze lächelnd den Keller und vertrieb eine Schar von quiekenden Ferkelratten in ihre Löcher zurück.

Alice lächelte und sagte: „Die armen Schweinderln, hoffentlich verpetzen sie mich nicht bei der Herzkönigin!“

Original Handschrift
0
Regenbogen Günter Wasserzeichen

Quietschrosa

Thema: Regenbogen

Quietschrosa starrte gebannt auf die glitzernde Oberfläche des Sees.
Es sah so aus, als ob kleine Tropfen versuchten vom See in den Himmel zu steigen.
Eine ganze Welt versuchte sich umzukehren.
Plötzlich zerriss ein Sonnenstrahl den Vorhang des herabströmenden Regens.
 
Quietschrosa hielt den Atem an. War es jetzt soweit?
 
Unbändige Vorfreude durchströmte sie. Doch der Vorhang zog sich wieder zu. Sie spürte aber schon die Macht, die aus den Elementen Feuer, Wasser und Licht zusammenflossen.

Da schossen die feurigen Strahlen der untergehenden Sonne hinter dem Vorhang hervor. Quietschrosa riss, so wie alle mit ihr versammelten Einhörner, ihren Mund auf.

„Quietschrosa!“ schrie sie ihren Namen empor.
Sie vereinte ihn mit dem Chor der anderen Einhörner zu einem gleißenden Regenbogen, der sich über den Himmel bis zum Horizont erstreckte.

0

Seite 7 von 10

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén