von Michaela und Günter

Kategorie: Prosa

2019 11 16 - Der Rabe Günter - Wasserzeichen

Der Rabe

Ziellos ließ ich meinen unfokussierten Blick durch das Zimmer wandern. So vertraut und doch fremd. Das Kinderbett mit dem rosa Einhornüberzug, die Plüschtiere und der vollgeräumte Schreibtisch vor dem Fenster.

Schnell wandte ich mich von meinem schemenhaften Spiegelbild ab. Die hagere Gestalt in dem schwarzen Anzug war ich noch nicht bereit zu ertragen. Ich versuchte vergebens nichts zu fühlen, die unendliche Trauer riss mich aber wie eine zusammenbrechende Riesenwelle mit sich fort. Es gab nicht einmal mehr Tränen, um meinen Blick zu verschleiern.

Ich ließ mich auf das Bett fallen.
Die hin- und herwogenden Emotionen wurden durch etwas Hartes unter meiner linken Gesäßbacke unterbrochen. Ich griff unter die Decke und zog einen bemalten Stein hervor. Einen Stein, den Emma an einem ihrer letzten Tage zu Hause gemalt haben musste. Mit ihrem Lieblingmotiv darauf – einem schwarzen Raben.

Ein unerträglicher Schmerz brachte endlich den Damm zum Bersten und ich versank völlig aufgelöst in der noch nach Emma duftenden Einhorndecke.

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2019 11 15 - Kater Günter - Wasserzeichen

Kater

„Scheiß Wecker!“, krächzte ich, als mich ein penetrantes Kreischen jäh aus meinen verkaterten Träumen riss. Das Quälen meiner Stimmbänder führte nur zu einem Hustenanfall, der mich endgültig wach machte. Im schwachen, grünen Licht meiner Weckeranzeige taumelte ich in die Küche, um den widerlichen Geschmack aus meinem Mund zu spülen. Schlafwandlerisch zog ich die Kühlschranktür auf und nahm einen tiefen Schluck aus dem Milchkarton.

„Fuck!“, dachte ich, als ich die geronnenen Brocken Milch angewidert in die Küchen-Abwasch spuckte. Für die einsame Flasche Wodka war ich aber definitiv noch nicht bereit. Da blieb mir wohl ein unfreiwilliger Besuch beim Billa ums Eck nicht erspart.

„Hilft ja nüscht.“, dachte ich deprimiert, während ich langsam Richtung Badezimmer taumelte.
Eine halbe Stunde später stand ich mit einem Liter Milch und einem Mischbrot mit einem -50% Pickerl an der Kassa. Den mitleidigen Blick der Kassiererin kannte ich schon, was meinen regelmäßigen Canossagang aber leider nie angenehmer machte.

„Wenigstens wartet noch mein neues Buch auf mich.“, dachte ich am Heimweg.










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